Auf den Spuren von Immanuel Kant

Zweitägige Exkursion des hessischen Landesverbandes des Bundes der Vertriebenen (BdV) ins Ostpreußische Landesmuseum und Brömsehaus in Lüneburg

Anlässlich des 300. Geburtstages des großen Königsberger Philosophen Immanuel Kant veranstaltete der BdV-Landesverband Hessen in Kooperation mit der Deutsch-Baltischen Gesellschaft (DBGes) am 23. und 24. April 2024 eine zweitägige Exkursion nach Lüneburg ins Ostpreußische Landesmuseum (OL) sowie ins Brömsehaus, eines der ältesten Häuser der Stadt, das heute der Förderung, Erhaltung und Erforschung deutschbaltischer Kultur dient, da sich Lüneburg nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem Zentrum der Deutschbalten in der Bundesrepublik entwickelt hat. Gefördert wurde die Exkursion vom Hessischen Ministerium des Innern, für Sicherheit und Heimatschutz.

Deutschbaltische Kultur im Brömsehaus

Erste Station der 30-köpfigen Reisegruppe unter Leitung des BdV-Landesvorsitzenden Siegbert Ortmann und seiner Stellvertreterin und BdV-Landeskulturbeauftragten Rose-Lore Scholz war am Dienstagnachmittag das Brömsehaus mitten in der malerischen Altstadt von Lüneburg. Das Brömsehaus ist ein Anfang des 15. Jahrhunderts erbautes und nach dem Sülfmeister Dietrich Brömse benanntes Kaufmannshaus. Es gehört zu den ältesten Bürgerhäusern der Stadt und steht unter Denkmalschutz. Im Jahr 2012 wurde das Brömsehaus aufwändig saniert: die Deckenmalerei in der Diele und die Stuckdecke im Barockzimmer wurden restauriert und mit einem ausgefeilten Beleuchtungskonzept ausgeleuchtet. Beide Räume können für öffentliche und private Veranstaltungen wie Konzerte, Lesungen, Vorträge, Tagungen und Seminare angemietet werden. Seit 1983 ist das Haus im Besitz des Deutsch-Baltischen Kulturwerks, zu dem die Carl-Schirren-Gesellschaft und die Deutsch-Baltische Kulturstiftung gehören, die ihren Sitz im Brömsehaus haben und die das Haus für deutsch-baltische Kulturveranstaltungen nutzen. Aufgabe des Deutsch-Baltischen Kulturwerks ist es, das kulturelle Erbe der Deutschbalten zu sammeln, zu bewahren und zu vermitteln sowie seine Erforschung zu fördern.

Nach einem herzlichen Empfang im Brömsehaus bei Kaffee und Kuchen erfuhren die Teilnehmenden in einem kurzweiligen Vortrag von Editha Kroß, der stellv. Vorsitzenden der Deutschbaltischen Kulturstiftung, Wissenswertes über Geschichte und Architektur des Brömsehauses. In weiteren Vorträgen von Christian Toop, dem stellvertretenden Vorsitzenden der Deutsch-Baltischen Gesellschaft, sowie Felicitas Wende, Geschäftsstellenleiterin der Carl-Schirren-Gesellschaft, bekamen die Gäste aus Hessen Informationen zur Deutschbaltischen Gesellschaft, dem Deutsch-Baltischen Kulturwerk und zur Carl-Schirren-Gesellschaft.

Im Anschluss berichteten die beiden Archivare Dr. Peter Wörster und Dorothee Goeze über die eindrucksvolle Arbeit des Carl-Schirren-Archivs und das Projekt zur Neugliederung und Nutzbarmachung der Archivbestände. Dazu arbeitet das Deutsch-Baltische Kulturwerk und das Archiv der Carl-Schirren-Gesellschaft eng mit anderen wissenschaftlichen Institutionen und Kulturorganisationen zusammen. Besonderes Gewicht hat der Kontakt zu Organisationen in den ehemaligen Heimatländern Estland und Lettland sowie neuerdings auch zu Litauen.

Auf den Spuren von Immanuel Kant im Ostpreußischen Landesmuseum

Der zweite Tag der Exkursion stand ganz im Zeichen des 300. Geburtstages des großen Königsberger Philosophen Immanuel Kant. Beim Besuch des Ostpreußischen Landesmuseums mit Deutschbaltischer Abteilung erwartete die Teilnehmenden eine Führung mit dem Kurator der Immanuel Kant Abteilung Dr. Tim Kunze durch die Sonderausstellung „Kant300. Ein Leben in Königsberg", die am 18. April eröffnet wurde und bis zum 13. Oktober 2024 zu sehen ist.

In einer einprägsamen Inszenierung stellt das Ostpreußische Landesmuseum die Persönlichkeit des größten deutschen Philosophen der Aufklärung vor. Zu sehen sind einzigartige, zum Teil noch nie öffentlich gezeigte Originalobjekte: Haare von Kant, sein Spazierstock, zahlreiche Ölgemälde, das „Kant-Glas“ mit persönlichen Gravuren und vieles mehr, Kurioses wie Erhellendes. Im Mittelpunkt der Ausstellung steht die Person Kants, nicht seine Philosophie. Wie wurde aus dem Handwerkersohn ein Gelehrter? Warum spielte Kant Billard? Wer waren seine Freunde? Fast sein gesamtes Leben verbrachte Immanuel Kant in seiner Heimatstadt Königsberg. Virtual-Reality-Stationen lassen das historische Königsberg aus der Zeit Kants in 3D-Aufnahmen wieder auferstehen und bieten spielerische Zugänge zu seinen Ideen.

Geboten wird in der Sonderausstellung auch eine Vorschau auf die entstehende Kant-Dauerausstellung im Ostpreußischen Landesmuseum. Seit dem Jahr 2022 entsteht dort auf einer Fläche von etwa 500 qm ein Erweiterungsbau („Kantbau“) für die erste Dauerausstellung in der Bundesrepublik Deutschland zum wichtigsten deutschen Philosophen der Aufklärung und bekanntesten Ostpreußen Immanuel Kant. Aufgrund baulicher Verzögerungen konnte die Dauerausstellung jedoch nicht wie geplant im Kant-Jubiläumsjahr 2024 eröffnet werden. Die Eröffnung ist nun für das kommende Jahr 2025 vorgesehen.

Die Deutschbalten im Baltikum und ihre wechselvolle Geschichte

Der zweite Teil des Besuchs im Ostpreußischen Landesmuseum galt der Deutschbaltischen Abteilung des Museums, wo die Exkursionsteilnehmer eine Kuratorenführung mit dem Kurator der Deutschbaltischen Abteilung/Flucht und Vertreibung Dr. Eike Eckert erwartete.

In drei größeren Zeitabschnitten wird in der Deutschbaltischen Abteilung die mehr als 700-jährige Geschichte der Deutschen präsentiert, deren Vorfahren aus den heutigen Staaten Lettland und Estland stammten. Dargestellt wird die wechselvolle Vergangenheit Livlands in Mittelalter und Neuzeit unter polnischer, schwedischer und russischer Herrschaft sowie die Bedeutung der Hanse, des Deutschen Ordens, der Kirche und der Ritterschaften samt ihrer Privilegien, die die Deutschbalten als Landesverwalter zur führenden Schicht gegenüber der abhängigen Mehrheitsbevölkerung von Esten und Letten machte.

Die Teilnehmenden erhielten während der sachkundigen Kuratorenführung Einblicke in prominente deutschbaltische Karrieren im Zarenreich sowie in das städtische Leben mit seinen Kaufleuten, Gilden, der Kunst und der Wissenschaft. Die Gäste erhielten umfangreiche Informationen über die Adelskultur und Herrenhäuser im Baltikum sowie den Verlust der Sonderstellung der Deutschbalten nach Gründung der unabhängigen baltischen Staaten, ehe sie 1939 durch die Umsiedlung in Folge des Hitler-Stalin Paktes ihre Heimat endgültig verlassen mussten.

Reisegruppe vor dem Brömsehaus in Lüneburg (Fotos: BdV Hessen)
Außenansicht des Ostpreußischen Landesmuseums
Brömsehaus: Innenansicht
Zu Gast im Brömsehaus (v.l.) Stellv. Vorsitzender der Deutsch-Baltischen Gesellschaft Christian Toop, BdV-Landeskulturbeauftragte Rose-Lore Scholz und BdV-Landesvorsitzender Siegbert Ortmann